top of page

TRANSPARENT - Warum gibt es im deutschen Fernsehen eigentlich keine wahrhaftigen Familienstories?

  • Johanna
  • 20. MĂ€rz 2019
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 4. Aug. 2019

đŸ“·


Tobias RĂŒthers im Januar 2014 in der FAS geĂ€ußerter Wunsch nach einer  guten Familienserie wurde 2013 erfĂŒllt.TRANSPARENT ist wahrscheinlich die beste Familienserie, die das Fernsehen momentan zu bieten hat. RĂŒthers Beschwörung von SIX FEET UNDER, als Meilenstein des Genres entsprechend ist TRANSPARENT eine Kreation von Jill Soloway, die selbst auch fĂŒr SIX FEET UNDERS schrieb und die Zeit mit Alan Ball als ihr Collegeerlebnis bezeichnet. 

TRANSPARENT beginnt mit "Mort"/Maura Pfeffermans Entscheidung mit Anfang 70 endlich den BedĂŒrfnissen zu folgen, die sie schon ein Leben lang in sich spĂŒrt: Als Frau zu leben. Diesen Schritt zum eigenen Selbst zu gehen bedeutet, dass Mort/Maura ihren drei erwachsenen Kindern, die, wie sie, in LA leben, und spĂ€ter auch ihrer geschiedenen Frau, erzĂ€hlen wird wer sie in Wirklichkeit ist. Gleich zu Beginn der Serie wird deutlich, wie viele Masken und SchutzwĂ€lle zwischen Menschen stehen können, die sich am LĂ€ngsten und Intensivsten kennen.

Und so erzÀhlt die Serie parallel zu Mauras Selbstwerdung von den Selbstfindungsprozessen aller Familienmitglieder und von einem Leben im ewigen Fluss, vom verirrten Suchen, vom Altern, vom Luxus und Fluch des sich um sich selbst Drehns, vom Loslassen und vom Sterben. 

Alle Pfeffermans kĂ€mpfen auf die ein oder andere Weise mit dem Akzeptieren und Finden ihrer eigenen Wahrheiten. Und hĂ€ufig scheint es so, als ob Maura, Ă€hnlich wie ihre Ex-Frau, als Einzige weiß, wer sie ist und sein will. Nur die Gesellschaft und sich seit langer Zeit pervertierte normierte und sich in viele Teilen unserer Gehirne festgesetzte Ansichten kommen mit diesem gelebten Sein nicht klar. Es ist eines der zentralen Paradoxa unserer Existenz: Die gewaltige Sehnsucht und Ahnung einer Freiheit jenseits von Schubladen und die gleichzeitige geistige Notwendigkeit des Trennens, Unterscheidens und Ordnens. 

Der große Kniff der Serie ist die Leichtigkeit, mit der Jill Soloway die TonalitĂ€t von TRANSPARENT zum Schwingen bringt. Unter anderem liegt das an der relativen KĂŒrze des 30-Minuten-Formats.

Aber auch an Soloway & Cos gekonnt pointierter ErzĂ€hlweise, die einerseits ökonomisch (und voller Humor) ist, andererseits in dieser Ökonomie auch Raum fĂŒr die Tiefe der Figuren und deren intimsten Perspektiven lĂ€sst. Letztere fĂŒhrt hin und wieder zur Abkehr von gewohnten ErzĂ€hlweisen, insbesondere wenn es um Ali (Gaby Hoffmann), die JĂŒngste der drei Geschwister geht. Das konsequente Verfolgen ihrer Perspektive fĂŒhrt mitunter zu wunderbaren Innenansichten, die auch helfen, den verhĂŒllten Ichs der Pfeffermans, ihren verborgenen Ängsten und SehnsĂŒchten nĂ€her zu kommen.

Die strikte Innenperspektive ist bei einer Serie ĂŒber unsere intimsten Geheimnisse ja absolut notwendig. Und gerade die kleinen Ă€sthetischen und strukturellen Freiheiten, die dabei entstehen katapultieren TRANSPARENT nochmal in ganz besondere Kategorien des Serienfernsehens. Ohne jedoch die anziehende WĂ€rme und Leichtigkeit fallen zu lassen, die das verrĂŒckte und grĂ¶ĂŸtenteils sehr privilegierte Familiengespann ausstrahlt. 

In dieser Kombination liegt eine der entscheidenden handwerklichen Herausforderungen fĂŒr das serielle ErzĂ€hlen, das in der Sprache dieses Textes oder in den Grenzen dieses Landes stattfindet. Sich die Freiheit zu nehmen einzelnen Figuren zu folgen fĂ€llt vielen AutorInnen bei uns augenscheinlich ziemlich leicht. Aber Leichtigkeit als beinahe schon humanistische Ă€sthetische Idee zu entdecken und zu akzeptieren, die den Zuschauer in ein fremdes Weltbild und eine ihm ferne Erfahrung eng einbindet, wĂ€re einfach ein weiterer wichtiger und schöner Schritt.

 
 
 

Aktuelle BeitrÀge

Alle ansehen
DAS AUSSERGEWÖHNLICHE

[Dieser Text wurde ursprĂŒnglich zwischen 2014 und 2016 auf einer anderen Plattform veröffentlicht.] đŸ“· David Duchovny in THE X-FILES (20...

 
 
 

Kommentare


© 2023 by Johanna Stamm. Proudly created with Wix.com

bottom of page